Woran hat es gelegen – Teil 1: der Verlierer
Nach der Wahl stellt sich schon die Frage, wer hat verloren und warum eigentlich? Die Stadt steht (oder stand bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie) blendend da. Schulden abgebaut, kaum arbeitslose Bürger, solider Haushalt. Die Schulen gibt es alle noch, das Krankenhaus zumindest in Teilen. Den Gewerbebetrieben geht es gut, der Tourismus blüht, die Therme brummt, die Industrie arbeitet. Ähnlich wie im Bund, es geht den Menschen im Schnitt besser, als noch vor 10 Jahren und doch ist man nicht so richtig zufrieden.
Was bewegt den Wähler also in dieser fast extremen Deutlichkeit, den amtierenden CSU- Bürgermeister abzuwählen. Vielleicht, weil die Wähler gerade einen Lauf haben? Eckardt? Ledertheil? Kisch? Aller guten Dinge sind drei? Nein, die drei Bürgermeister sind nicht vergleichbar. Eckardt hat polarisiert, man war für oder gegen ihn, er teilte die Menschen auf in Freunde und Feinde. Gift überall. Das Ende ist bekannt. Egal was kommt, aber der muss weg – das Motto der Gegner damals. Ledertheil, der ja nie als Bürgermeister gewählt wurde, sondern der nur die einzige Option war, Eckardt loszuwerden, hat alle Eckardt-Feinde hinter sich gewusst. Wie so oft brach die Koalition nach dem Sturz in sich zusammen und im Falle Ledertheil dürfte es schon eine Implosion der Koalition gewesen sein. Egal was kommt, aber der muss weg 2.0, wie man heute sagen würde.
Es kam 2014 dann zur Wahl von Kisch. Er hat deutlich gewonnen, aber der Funke ist nicht übergesprungen. Er war, vorsichtig formuliert, nicht volksnah. Man muss nicht bei jedem Vereinsfest Karten spielen und bis in die Puppen saufen und jeden duzen, der nicht bei 3 auf den Bäumen ist. Aber grüßen, verbindlichen Smalltalk – so das kleine 1x1 des jovialen Kommunalpolitikers. Na gut, er war dafür ein Sachkenner, unemotional, ein Verwalter. Gerne. Darf ein Bürgermeister sein, aber das reicht eben nicht.
Dazu die großen Klopper: zum Start der Platzverweis für die Ortsteil- beauftragten, Abschaffung der Ortsteilbegehungen, Bürgersprechstunde abgeschafft. Unnötig, unsinnig, dumm. Die Liste-Land hat heute so viele Stadträte wie die SPD. Dann das Fiasko um die Hospitalstiftung, ein unfassbares Fiasko, das nur Dank dem Landratsamt nicht noch mehr Millionen dauerhaft verschlungen hat. Vielleicht eine der wichtigen Wunden, die sein Herausforderer immer wieder gebetsmühlenartig angeprangert hat. Dazwischen viel „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“. Der Trend, dass gefühlt immer mehr nichtöffentlich getagt wird, begann in der Periode 2 unter Eckardt. Ledertheil wollte es ändern, hat er aber nicht. Und Kisch hat dann noch zum Teil den nichtöffentlichen Teil vor den öffentlichen Teil gelegt, ganz nach dem Motto: "ich mach Euch mürbe". Oder eben nicht, was die Tragik ist. Man hat ihn nie verstanden, weil er sich nicht geäußert hat.
Jetzt kann man sagen: Demenz und Stadtratsitzungen – das ist was fürs alte Semester. Und da begeht Kisch dann im letzten Sechstel, quasi auf der Zielgeraden, den Thüringen-Fehler. Abstimmen, so lange bis es passt. Und für was? Völlig unnötig. Holz, Stein – was auch immer. Es kostet Geld und einer wird es bauen. Aber nein, da hat er sich vollends verrannt, hat die Jungen gegen sich aufgebracht, die vom Bauen auch nichts verstehen, aber von Demokratie und da war es wieder: Das Klischee. Klischee sagen Sie? Ja, das hat zu Bad Windsheim irgendwie nie gepasst. Jeder volksdümmliche Heimatfilm, der in Bayern spielt, hat einen Bürgermeister von der CSU und die Fäden zieht der Bauunternehmer. Diese Bayern AG in Anspielung auf die untergegangene Deutschland AG hat jahrzehntelang so funktioniert. Geschäfte untereinander, brav spenden und am Sonntag in die Kirche.
Jetzt war Kisch der erste CSU- Bürgermeister in Bad Windsheim seit Menschengedenken, aber die Zeit ist irgendwie nicht mehr reif, eher überreif. Und da kommen wir zum eigentlichen Thema, das den ganzen Wahlkampf über eben nicht beachtet wurde. Die Parteienlandschaft wandelt sich. 6 Stadträte CSU (keine Frauen) und 3 von der SPD, (auch keine Frauen). 6 plus 3 = 9 und das ist nicht viel mehr als 1/3 der 24 Stadtratsmitglieder. Die in Berlin bundesweit agierende GROKO hat in Bad Windsheim nicht viel mehr als 37 %? Ja Herrschaften, hört ihr es nicht schlagen.
Die Bürger hier sind noch viel moderner. Die haben die GroKo und die etablierten Parteien längst abgelegt und GENDER ist kein Thema. Frauenquote bei der Liste? Fehlanzeige. Und der Wähler häufelt dann seine Stimmen und schert sich nicht um Quoten. In dieser Situation, in der die Parteienlandschaft erodiert, war Kisch zu schwach. Er hat keine Kante gezeigt, keine Akzente gesetzt, er hat nicht einmal polarisiert. Er war schon angezählt, als es in den Wahlkampf ging. Und der Wahlkampf lief schief aus Sicht der CSU. Bis zum 15.3. dachte man: das Ding schaukeln wir heim. Die Gegenkandidaten schienen nicht gefährlich. Göttfert die Notlösung der SPD, Wild die Notlösung der FWG und Heckel – der schon wieder, den hat man seit bald 25 Jahren vorgeführt, dass es ein Wunder ist, dass der Mann nicht daran zerbrochen ist. Aber dann: Sitze verloren, Heckel mehr Stimmen im Stadtrat als Kisch oder Gerhäuser, mehr Stimmen als Bürgermeisterkandidat. Schockstarre, Tränen. Aber noch nichts verloren. Jetzt nochmal alle hinterm Ofen herholen.
Und ab diesem Moment beginnt ein Wahlkampf, der aus Sicht der CSU gut gemeint war, der aber das Gegenteil bewirkt hat. Man hat US-amerikanische Kampagnen gestartet. Man hat nie gesagt: Wähler, wir haben haben verstanden, wir machen es anders. Die CSU hat die Zeitung zugepflastert, das Internet geflutet – ohne Maß und ohne Ziel. Eines muss man der CSU zugestehen: man hat Heckel (fast) nicht mehr diffamiert vor der Stichwahl. Und dann hat man noch zwei Kardinalfehler begangen, nein, man hat Tabus gebrochen: man hat den Eindruck erweckt, den Wähler zu erpressen. Gartenschau nur mit Kisch – zu einer Zeit, als die Schulen zu waren und die Menschen schon andere Sorgen hatten.
Und wäre Corona nicht schlimm genug, hat man viele, - wie z. B. auch den bayerischen Innenminister- aber eben final und letztlich fatal, vor den Karren gespannt. Der trat freilich nur als CSU- Bezirkswasweissich auf, aber er hat einen kausalen Zusammenhang hergestellt: Corona und Kisch. Und damit hat man Kisch den Dolchstoß verpasst. Ortssprecher, Wahl des 2. Bürgermeisters, Turnhalle, Nichtöffentlichkeiten, Personalpolitik im Rathaus, Demenzentrum – alles zusammen mit der Fraktion, alles Fehler, die man gemeinsam begangen hat. Dazu kam Kisch's geringe Volkstümlichkeit. Aber um sein Amt gebracht hat ihn der Wahlkampf der letzten 14 Tage und damit seine eigene Fraktion, die jetzt die Suppe auslöffeln darf, auslöffeln muss.
Die Wahlkampfstrategen haben die Wahl verloren, sie haben Kisch verbrannt.
Demnächst: Woran es gelegen hat: Teil 2: Der Gewinner